NSCO-Mitglied Pirjo Mühlematter weilt in Norwegen

Pirjo Mühlematter hat die JO des NSCO durchlaufen, die Farben des NSCO im BOSV vertreten und weilt seit einiger Zeit in Norwegen. Grund genug mal genauer nachzufragen, was sie im hohen Norden so treibt.
Interview: Markus Fuchs & Pirjo Mühlematter

Pirjo, aktuell bist du in Norwegen. Wo genau und was machst du da?
Es ist nur ein sehr kleiner Ort namens Åsvang, in dem ich wohne, die Häuser liegen eher verstreut in der Landschaft. Genauer gesagt, lebe ich hier auf einem wunderschönen Bauernhof mit vielen Tieren, Wiesen und Wäldern. Åsvang liegt zwischen Oslo und Lillehammer. Von hier bis zum bekannten Vikingskipet in Hamar, welches einigen durch die Olympischen Spiele 1994 einen Begriff sein dürfte, dauert es mit dem Auto ca. 30 Minuten.

Als ich im Sommer 2022 nach Norwegen kam, arbeitete ich als Aupair in einer norwegisch-österreichischen Familie. Im Sommer 2023 war dieses Jahr um, jedoch entschied ich mich dazu in Norwegen zu bleiben und mir eine neue Arbeit zu suchen. So begann ich im August in einem Dorfladen im nächstgelegenen Dorf zu arbeiten. Die Strecke ist gut mit dem Fahrrad zu bewältigen, wobei der Heimweg mit seinen über 100 Höhenmeter nach langen Arbeitstagen sehr gemein sein kann. Zusätzlich zu dieser Arbeit helfe ich weiterhin der Familie, indem ich auf das kleine Mädchen aufpasse und auf dem Hof mithelfe.

Im Heimatland des Langlaufs fühlst du dich doch automatisch wohl, oder vermisst du die Schweiz trotzdem manchmal?
Ja, dies ist so. Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Aussicht vom Haus aus ist wunderschön und in wenigen Minuten kann man sich in einem riesigen Waldgebiet austoben. Die Loipe ist in nur wenigen Minuten zu Fuss erreichbar. Was ich an der Schweiz am meisten vermisse, sind die hohen Berge, welche hier in der Region nicht so zu finden sind. Auch vermisse ich den guten Schweizer Mutschli. 

Wo und wie trainierst du?
Mit dem Team Hedmark Jr habe ich ein tolles Team gefunden, mit welchem ich zusammen trainieren kann. Wir trainieren meistens in Gåsbu, wo wir im Winter Langlaufloipen zur Verfügung haben und im Sommer gut joggen können.

Ebenfalls befindet sich dort ein Sumpf, in welchem wir auch mehrere Intervalltrainings auf norwegische Art absolvieren. Zudem haben wir einen Kraftraum zur Verfügung, welchen wir jeden Montag nutzen. Es werden vom Hedmark Skikrets (ähnlich wie der BOSV) auch mehrere Male im Jahr Trainingslager organisiert. Letztes und auch dieses Jahr waren wir im Oktober im schwedischen Torsby und konnten dort unsere Runden im Schneetunnel drehen. Im Trainingslager letztes Jahr, war ein grosses Highlight, dass Maiken Caspersen Falla als Trainerin dabei war. Durch ihre grosse Erfahrung als Athletin konnten wir sehr viel von ihr lernen. Für mich war es ein spannendes Erlebnis, Tipps von einer Olympiasiegerin und mehrfachen Weltmeisterin zu erhalten.

An Tagen, an denen ich alleine trainiere, steht mir hier direkt vor der Haustür eine sehr schöne Landschaft mit sehr guten Trainingsbedingungen zur Verfügung.  

Wie wurdest du in der neuen Trainingsgruppe / Verein aufgenommen?
Hier wurde ich sehr herzlich aufgenommen und konnte auch guten Anschluss finden. Anfänglich war es mit der Kommunikation etwas schwierig, da die Norweger nicht so gerne Englisch sprechen. So entschieden sich die Trainer kurzerhand, im Training einen kleinen Norwegischkurs zu machen. Dies ging gut, wenn wir joggen waren oder auch beim Krafttraining, da wurde in den Pausen zwischen den Übungen abwechslungsweise Englisch und Norwegisch gesprochen.

Sind die Rennen in Norwegen anders organisiert als in der Schweiz oder was sind die grössten Unterschiede?
Nein, im Grossen und Ganzen sind die Rennen gleich organisiert wie in der Schweiz. Ein Unterschied ist jedoch, dass es erst ab der Kategorie U12 eine Rangliste gibt. Bei den jüngeren Kategorien werden die Namen alphabetisch aufgelistet und dann die Zeiten dazugeschrieben. Auch gibt es für die Jüngsten kaum Massenstartrennen.

Ein weiterer, sehr grosser Unterschied ist die Anzahl Teilnehmer. Bereits an den regionalen Rennen, welche ich lief, war ich beeindruckt, wie viele Kinder und Erwachsene am Start standen. An den nationalen Rennen konnte ich es dann kaum mehr glauben. Wir waren ca. 300 Teilnehmerinnen in der Kategorie U18/U20, bei den gleichaltrigen Jungs waren es sogar ca. 400. Was auch bei noch so vielen Teilnehmern trotzdem heraussticht, ist die Hilfsbereitschaft der Norweger. Bei den Rennvorbereitungen und Skipräparationen hilft man sich gegenseitig, egal, ob man dem gleichen Team oder Skiclub angehört. Der Sport ist die Leidenschaft aller und das wird sehr gross geschrieben. Ein sehr grosser Unterschied ist ebenfalls die Entfernung der Rennen. Da sind die drei Stunden Fahrt ins Bündnerland nichts dagegen. Teilweise fährt man sieben Stunden oder man muss sogar fliegen.   

Wie viele Rennen hast du letzten Winter bestritten?
In der letzten Saison habe ich insgesamt 12 Rennen bestritten. Mein erstes Rennen in Norwegen bin ich in Sjusjøen bei eisiger Kälte gelaufen.  Es gelang mir vor dem Rennen nicht wirklich warm zu kriegen. Dies führte dazu, dass das Resultat dementsprechend ernüchternd ausfiel. Zuversichtlich auf ein besseres Rennen, habe ich mich für mein erstes nationales Rennen in Lillehammer Anfang Januar angemeldet. Hier konnte ich jedoch leider nicht teilnehmen, da mein Skisack in Helsinki am Flughafen feststeckte. So kam es, dass ich mein zweites Rennen wieder in Sjusjøen lief. Dieses Mal waren die Temperaturen auch angenehm. Anfang Februar fand das Kretsmesterskap-Rennen (wie BOSV Meisterschaft) in Gåsbu statt. Für unsere Trainingsgruppe war es wie ein Heimrennen, denn wir konnten in den Trainings bereits gewisse Streckenteile besichtigen. Es war die Langdistanz der KM-Rennen. Wir durften 23km in schönster Landschaft bestreiten. Dieses Rennen lief mir sehr gut, da war der undankbare vierte Platz noch ärgerlicher als sonst. Bereits eine Woche später machten wir uns auf den langen Weg nach Voss zu einem Norges Cup Rennen, wo uns, dort angekommen auch schon das bekannte westliche Wetter mit Regen empfing. In Voss standen drei Rennen auf dem Programm, ein Sprint und zwei Distanzrennen. Mit meinen ersten nationalen Rennen war ich sehr zufrieden. Das nächste Rennen, welches auf dem Programm stand, war das Almenning-Rennen, welches für mich wie ein Heimrennen war, da es nur ca. 15 Minuten von hier entfernt stattfand. Das Rennen gelang mir richtig gut und ich konnte meinen ersten Podestplatz in Norwegen mit einem Sieg feiern. Anfang März fanden die Norwegischen Meisterschaften der Junioren in Alta statt. Dies bedeutete für praktisch alle Junioren eine Flugreise nach Alta zu unternehmen. Der Flughafen in Alta war auf diese Menge an Leute nicht ganz vorbereitet und dementsprechend sehr überfüllt. Hier standen wieder zwei Distanzrennen auf dem Programm, dazu kam dieses Mal aber noch eine Staffel. Das Staffelrennen war sehr beeindruckend, weil über 50 Staffeln am Start standen.

Was sind deine sportlichen Ziele für diese Saison 23/24?
Für die Saison habe ich mir nicht allzu hohe Ziele gesetzt, da ich nun bei den Senioren starte. Bei den nationalen Rennen möchte ich in erster Linie Erfahrungen sammeln. Hingegen ist es bei den regionalen Rennen mein Ziel im vordersten Drittel mitlaufen zu können.

Sprichst du schon fliessend Norwegisch?
Mittlerweile habe ich so viel Norwegisch gelernt, dass ich mich im Alltag gut verständigen kann. Es befinden sich noch einige grammatikalische Fehler in meinen Sätzen, aber ich werde verstanden.

Letzten Winter war die Schneesituation in der Schweiz etwas problematisch. Wie wars in Norwegen?
Wir hatten überhaupt keine Schneeprobleme. Der erste Schnee kam Ende November. Es war noch nicht viel Schnee, aber immerhin war er da. Um den Jahreswechsel schneite es viel und wir hatten ca. 40cm Schnee. Ende März verabschiedete sich der Winter und somit auch der Schnee. Danach hatten wir zwei schöne warme sonnige Wochen, doch dann kam der Winter nochmals so richtig zurück und es lag wieder 30cm weisse Pracht. Somit hatten wir sogar bis Anfang Mai Schnee.

Du vertrittst ja weiterhin den NSCO. Wie bekannt sind «wir» in Norwegen schon?
Da es in Norwegen so viele Skiclubs gibt, ist es schwierig bekannt zu werden, wenn man nicht entweder sehr viele Athleten*innen hat oder jemand aus dem Club im Weltcup aktiv ist. Daher ist der NSCO leider noch nicht so bekannt.

Bei allen FIS-Rennen vertrete ich weiterhin stolz den NSCO. Bei den regionalen Rennen bin ich jeweils für einen norwegischen Club gestartet, damit ich mit meinen Teamkolleginnen auch bei Staffeln oder Teamsprints antreten konnte.

Birkebeineren Lauf oder Wasaloppet, ist das ein Thema für dich? Oder sonst ein «bekannter» Lauf im Norden?
Ja, das ist es definitiv. Bereits letzte Saison habe mich dazu entschieden den Halv Birken zu laufen, welcher 28km lang ist. Die Strecke führt von Sjusjøen über wunderschön verschneite Seen, Wälder und Weiten wieder ins Startgelände in Sjusjøen und dann hinunter ins Birkebeineren-Skistadion. Es war eine sehr schöne Erfahrung, welche durch meinen Kategoriensieg ganz besonders wurde.

Aussicht im Sommer

Aussicht im Winter

Training in Torsby

Hinterlasse einen Kommentar